Friedhof Friesenberg

Mag man Friedhöfe oder nicht? Dies ist doch gewissermassen eine fundamental tragische Frage. Wer würde von sich behaupten, Friedhöfe zu mögen? Dies vermutlich im selben Masse, wie sich jemand als Spital-​Liebhaber outen könnte. Doch geht man der ganzen Sache etwas gründlicher auf die Schliche, so müsste man sich eine noch viel tiefgreifender profunde Frage stellen, weshalb man denn eigentlich eine gewisse Aversion gegen Friedhöfe hat, ja und dies wäre dann zwar relativ simpel, aber in 98% der Fälle zutreffend, aus dem einfachen Grunde, dass wir alle samt an diesen stillen Orten Menschen beigesetzt haben, die uns lieb waren. Tragik hin oder her, mögen sie alle in Ruhe weilen und es wäre erneut irrsinnig zu behaupten, ihnen ginge es dort schlecht. So stand ich gestern mit ungutem Gefühl vor dem Friedhof Friesenberg, der in an einem goldenen Herbsttag viel eher an das Schloss Schönbrunn in Wien erinnert, als an eine Toten-​Stätte. Als ich nämlich den Spaziergang durch die verwinkelten Strassen, ja solche Friedhöfe haben ihr ganz eigenes System, antrat, wurde mir alsbald bewusst, dass es sich um ein Gespinnst in meinem Hirn handelte, dass mich noch gerade eben davor abzuhalten vermochte, diesen Spaziergang in Angriff zu nehmen. Vielleicht sollte man in aller Ehre nicht gerade von den abtrünnigsten Geschichten erzählen, wenn man an den Gräbern vorbeizieht, doch mit der Ruhe, die über einem solchen ewigen Garten hängt, sollte man sich selbst etwas besinnen und sich der Schönheit der Stille hingeben und einfach gehen. Wir gingen vielleicht 40 Minuten und fanden mit zunehmendem Wonnegefühl der Wiederanknüpfung an lustige Themen und lebens-​bejahender, ja vielleicht schon nahezu Freude-​fröhnender Unternehmungslust, irgendeinen der unzähligen Ausgänge, der uns im Handumdrehen wieder in eine Alltagsstrasse und somit zurück in den Alltag und die Alltagsthemen brachte. Empfehlenswert ist der walk of humbleness an einem schönen Sonntag Nachmittag auf jeden Fall, vorausgesetzt man befindet sich in einem mehr oder minder ernstzunehmenden inneren Zen.