Einsteinturm

Ein avantgardistisches Bauwerk, dass hier leider im Wald etwas untergeht, allerdings in der Nachbarschaft zu den bedeutendsten Forschungs-​einrichtungen Potsdams durchaus die gebührende Beachtung vor allem int. Wissenschaftler finden dürfte. Ein toller Bau, der auf Fotos spektakulärer als im Original wirkt, erinnert mich von der Wirkung an das Guggenheim Museum in New York. Ist es nun Expressionismus, ausgehender Jugendstil oder was auch immer in seienr Formensprache ein harmonisches Meisterwerk seines Architekten Mendelsohn. Als großer Einstein-​Fan freue ich mich vor allem über die damalige Namensgebung.

Schweißperlen auf der Stirn. Kurzatmigkeit. Trotzdem, ich beiße mich durch. Mit dem letzten funktionierenden Gang meines alten Fahrrads schleiche ich die Anhöhe in Richtung des Astrophysikalischen Instituts in Potsdam hinauf. Auf der Karte sah das ganz leicht aus, ca. schlappe 2 km vom Hauptbahnhof Potsdam entfernt. Und es hat sich gelohnt. Das gesamte Gelände ist äußerst spannend und informativ, das Hauptziel heißt jedoch «Einsteinturm». Der heißt zu Ehren des berühmten Nobelpreisträgers so und weil hier Einsteins Relativitätstheorie experimentell bestätigt werden sollte. Auf jeden Fall empfehlenswert. Eine himmlische Ruhe, von Bäumen halb umsäumt, steht er da. Gleich daneben mümmeln wilde Hasen und lassen sich von den Gaffern nicht stören. Zahlreiche Tafeln informieren über den Turm, die Bauweise, die Namensgebung. Hier und auch an den anderen Gebäuden, die auf dem Forschungsgelände stehen. Insofern auch als Ausflusziel nicht nur für Architekturfans, soondern auch Entdecker und für Familien empfehlenswert. Und weil der Turm wirklich keinem von mir bisher gesehenen Bauwerk gleicht (und das waren nicht wenige!), empfehle ich ihn als Top-​Ausflugsziel!

Die Architektur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts ist durch einen avantgardistischen Stilreichtum geprägt.
Erbaut wurde diese Meisterleistung expressiver Baukunst von 1920 bis 1924 von Architekt Erich Mendelsohn.
Erwin Finlay Freundlich war es, der sich hier ein Observatorium wünschte, in dem er die Gültigkeit der Einsteinschen Relativitätstheorie beweisen wollte.
Finlay Freundlich war sowohl mit Albert Einstein als auch mit Mendelsohn gut befreundet.
Das Teleskop wurde von Finlay Freundlich selbst entwickelt, doch zur Unterbringung dieses Gerätes war ein durchgeplantes Bauobjekt erforderlich.
Finlay Freundlich beauftragte Mendelsohn bereits 1918 mit dem Projekt und Mendelsohn fing bereits an der Front an, Skizzen für sein Erstlingswerk zu zeichnen.
(Siehe Foto unten)
Allerdings wurde während der Bauzeit des Turms genau das, was Freundlich hier beweisen wollte, durch wissenschaftliche Messreihen in England erwiesen.
So wurde der gesamte Plan kurzerhand aufgegeben, der Turm wurde Albert Einstein, der Astrophysik und der Bedeutung der Wissenschaft gewidmet und diente seitdem als Sonnenforschungsanlage.
Der Turm erweckt den Anschein, als sei er aus Beton. Tatsache aber ist, dass er komplett aus Backstein errichtet worden ist, wobei auch Mendelsohn lange schwieg. Beton war damals rar und kostbar und die Täuschung beabsichtigt.
Einstein selbst empfand den Baustil des Turms als organisch, was noch auf die Rückwirkung des Jugendstils blicken lässt.
Mendelsohn schuf hier ein schmuckloses aber bewegtes Gebäude mit einer komplett drehbaren Kuppel.
Im Inneren des Turms befinden sich ein unterirdisches Labor, ein Arbeits– und ein Schlafzimmer.
Doch der gute Mendelsohn hatte sich in seinem Eifer etwas selbst überschätzt: Schon bald kroch die Feuchtigkeit in den Turm und ab 1927 musste der Putz erneuert werden, Fensterbänke und Kuppelkranz wurden verblecht.
Interessant auch die Kritik, die Mendelsohn von seinen Architektur-​Kollegen widerfuhr: Paul Westheim sah in dem Turm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Völkerschlacht-​Denkmal und die Wesensverwandtschaft des Bismarck am Rhein.
(Siehe Foto unten)
An Kritik gewöhnte Mendelsohn sich schnell, doch er war ehrgeizig, arrogant und führte bereits einige Jahre später das grösste deutsche Architekturbüro.
Erich Mendelsohn hinterließ bis zu seiner Emigration 1933 zahlreiche bedeutende Bauwerke, hier in Berlin seien unter Anderem die Schaubühne am Lehniner Platz, sowie mehrere Wohnhäuser (Onkel-​Tom-​Strasse, Am Rupenhorn, Karolingerplatz usw) erwähnt.
Der Einsteinturm befindet sich auf dem Telegrafenberg in Potsdam auf dem Gelände des Astrophysikalischen Instituts und kann von außen ganztags besucht werden. Besichtigungen von April bis September nach Absprache.
Urania-​Verein «Wilhelm Foerster» e. V.
0331 – 291 741
Video link:

Zugegeben, der Einsteinturm ist kein Ziel, an dem man mal so vorbei kommt. Ganz im Gegenteil, man muss sich schon darum bemühen, hin zu kommen. Das liegt daran, dass er ein Stück weit außerhalb liegt.
Ich persönlich würde aber sagen, dass sich so eine Pilgerfahrt zum Turm auf jeden Fall lohnt. Natürlich nicht für jeden, ein gewisses Interesse für Bauwerke, Architektur oder Expressionismus muss schon vorhanden sein. Sonst steht man da irgendwo in der Pampa und weiß nichts mit sich anzufangen. Ich bin zwar auch kein Architekt, aber ich kenne den Einsteinturm aus einer Publikation des Autors Paul Virilio aus dem Berliner Merve Verlag: Das irreale Monument, der Einstein-​Turm. Darin enthalten sind Bilder des Turm, die mich schon damals enorm faszinierten.
Als ich bei meinem letzten Besuch in Berlin war, habe ich auch Potsdam besucht. Mir war klar, dass ich mir nicht nur Sanssouci anschauen, sondern eben auch den Einsteinturm besuchen werde. Das war schwieriger als gedacht: Die meisten Leute (inklusive Busfahrer), die ich nach einem Weg per öffentlichen Verkehrsmitteln fragte, wussten übehaupt nicht wovon ich sprach. Rausbekommen habe ich es dann doch. Man fährt mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof, und dann noch eine kürzere Strecke bergauf mit dem kleinsten Bus der Welt. Der Bus stand zwar auf dem Fahrplan, kam aber zu einem ausgewiesenem Termin nicht. Nachdem wir dann beharrlich gewartet hatten, kam er dann doch.
Mit diesem Bus fährt man auf das Gelände des Astrophysikalischen Instituts Potsdam, das sich auf dem sogenannten Telegrafenberg befindet. Einige Meter muss man dann noch zu Fuß gehen, kommt an einigen alten Teleskopanlagen vorbei, und trifft irgendwann auf den Einsteinturm.
Der steht da ganz alleine zwischen Bäumen. Ganz ruhig, erhaben und für sich. Kümmert sich um nichts anderes als um seine eigene Existenz. Hört sich blöd an, aber so kam mir das vor. Ich habe in einem anderen Post schon mal von einem quasi-​religiösen Erlebnis gesprochen, das hier war auch eins. Auf jeden Fall.
Der Turm wurde in den 20er Jahren von Erich Mendelsohn erbaut, und gehört in die Gruppe der expressionistischen Bauwerke. Er hat eine sehr eigentümliche, organische Form. Als er erbaut wurde, waren die technischen Voraussetzungen allerdings noch nicht so optimal, was zur Folge hatte, dass er einige Male saniert werden musste. Das besondere an diesem Gebäude ist, dass es sich eigentlich um einen Zweckbau handelt, der aber auch — und vor allen Dingen — künstlerisch-​ästhetischen Ansprüchen genügt. Ein sehr imposantes und schönes Gebäude.
Wir waren im Oktober da, und es war ein sehr schöner Tag. Wir haben einige Zeit beim Turm verbracht, und auch ein wenig die Ruhe vor der großen Stadt Berlin genossen. Außer uns war da niemand. In der Ferne hat man irgendeine dämliche Straße gehört, aber auch das konnte ich ausblenden.
Ich bin mir sicher, dass ich den Turm irgendwann noch mal besuchen werde. Leuten, die sich für Expressionismus oder Architektur (im besten Fall für beides) interessieren, kann ich einen Besuch nur empfehlen! Wenn der Weg dahin auch ein wenig zeitraubend ist!