Scherben-Klinik

Hier war ich auch einmal — hab eine kaputte Kanne von Oma hingebracht, die mir lieb war, aber abgeplatztes Stück an der Tülle. Die Porzellan-​Doktoren haben das ganz unproblematisch repariert — man sieht wirklich nichts oder nur, wenn man genau weiss, wo die Schadstelle gelegen hat. Prima Arbeit, finde ich. Ich stimme auch zu, dass es toll ist, wenn man die Dinge nicht dauernd wegschmeisst und durch neuen Kram ersetzt. Der ist dann ja auch sowieso oft Massenware, all der Ikea-​Krempel, der nett aussieht, aber in jedem zweiten Haus steht. der Laden hier dürfte dafür sorgen, dass sich die Vielfalt ein bisschen erhält, in hamburg wenigstens. Teuer war die Aktion hier auch nicht, da hätte ich eine höhere Rechnung erwartet, eher so wie beim restaurator von Möbeln, aber so war das wirklich günstig. wahrscheinlioch günstiger als eine neue Kanne von Ikea und Co…

Es tut gut, sich einmal wieder über einen Platz richtig zu freuen. Schon lange hatte ich wohlwollend die Porzellan-​Klinik im Uni-​Viertel im Auge gehabt, aber mein Porzellan war meist entweder intakt, in tausend irreparablen Scherben oder falls angeknackst nicht so recht der Restauration wert. Und so kam ich voresrst nicht in den Genuß einer Dienstleistung, die ich schon prinzipiell gut finde: In der heutigen Zeit geht alles immer wieder hin zum Wegwerfen. Die Politik möchte den Wettbewerb und die Wirtschaft fördern und sieht nicht, dass die Menschheit nicht dauernd neue Güter braucht — und dass das ökologisch auch Wahnsinn ist. In früheren Jahrhunderten wurde ein Trinkgefäß vorsichtig über so viele Dekaden oder gar länger gebraucht wie es hielt. Heute aber opfert man sehr schnell einen Gebrauchsgegenstand der ästhetischen Modevorstellung oder wechselt ihn aufgund geringfügiger Schäden aus — und sorgt so für ein immer weiter ansteigendes Beliefern des Müllberges und eine unnötige Ausbeutung von irdischen Ressourcen, die vielleicht jetzt noch minimal erscheint, aber in Jehrhunderten oder Jahrtausenden zu einem Nullpunkt führen kann.
Da ist jemand, der kaputte Gegenstände restauriert, ein wunderbarer Gegenpol.
Und endlich hatte ich nun auch einmal die Gelegenheit, hier einzuzkehren: Meine geliebte Erdbeerkanne lag darnieder. Das schöné englische Stück Fine Bone, mit den kleinen süße Erdbeeren darauf, die mich immer an Illustrationen aus meiner Kindheit erinnerte, die so schön goß, ästhetisch geformt war, Erwachsenen und Kindern gleichsam Entzücken entlockte, die auch noch 1,2 Liter fasste, die so lange in meiner Küche viele kleine Teegesellschaften erleuchtet hatte. Sie hatte urplötzlich einen braunen Riß und das auch noch am Griff, und sie drohte in gefülltem Zustand mit verheerenden Folgen abzustürzen.
Zimmermann und Co. halfen. D.h. sie machten es wie gute Operateure natürlich ein wenig spannend. «Hmmm, weiß nicht, ob das wirklich klappt. Da müssten wir dann den Griff aufbiegen und Klebstoff in den Spalt laufen lassen und dann reinigen, hmmmh (kritisches Gesicht), das könnte schwer werden, alsoooo, garantieren kann man das jetzt nicht, hömmmmm». Dieses kleine Geplänkel aber war ausschließlich zur Unterhaltung gedacht und nicht etwa zur Erhöhung der Rechnung, zum Glück, denn meine Kanne hat keine private Krankenversicherung sondern ist nur Kasse. Und es tat gar nicht weh: Lediglich 14 Euro kostete die Reparatur — und die Kanne kam 2 Wochen später wieder vollständig geheilt aus der Klinik zurück — von dem Spalt war nicht das geringste Relikt zu sehen und seitdem gießt sie wieder fröhlich ihren heißen Inhalt in die ebenfalls erdbeergeschmückten Becherchen.
Alles war gut.