Dä längste Desch vun Kölle

Man wundert sich.
Kennen die Kölner eigentlich nur eine Variante von Straßenfest? Man wird das Gefühl nicht los, dass es so ist. Immerhin haben sie diesen Mangel auch schon erkannt. Denn es gibt das Bonnerstraßenfest, das Neusserstraßenfest, Gott und die Welt Straßenfest. Und es gibt Dä längste Desch vun Kölle. Fuchsig wie die Kölner nun mal sind, machen sie ein Straßenfest, nenne es aber nicht das Severinstraßenfest, sondern suggerieren etwas ganz besonderes: einen sehr langen Tisch. Den bekommt man zwar nicht, sondern das gleiche wie auch auf der Neusser oder der Bonnerstraße, aber einmal da, dann ist es auch egal. Fressstände, Bierbuden, schlechte Musik und Produkte, die kein Mensch brauch. Die obligatorieschen Panflötenindianer fehlen natürlich auch nicht. Wer’s mag, wird glücklich.

Ein riesiges Straßenfest schlängelt sich durch die Severinstraße. Dieses Jahr zum 30. Geburtstag war besonders viel los. Zwei kleine Bühnen auf der Höhe der Haltestelle Severinstraße und am Severinskirchplatz sorgten für musikalische Unterhaltung. Ich hatte mir das Ganze immer mehr als Wetttrinkarena vorgestellt, aber eigentlich war die Atmosphäre ziemlich angenehm. Die Ladenbesitzer präsentierten ihr Angebot an kleinen Ständen und endlich wirkte die Severinstraße mal wieder so, wie ich sie von früher in Erinnerung hatte (also vor der U-​Bahn-​Geschichte): nämlich als sympathische Einkaufstraße mit einem ganz eigenen Flair! Deshalb 4 Sterne und damit gleich die Hoffnung, dass sich diese Straße bald wieder zu einer schönen Alternative zum Bummeln entwickelt.

Da simmer dabei… ja, solch eine Atmo vermittelt dä längste Desch vun Kölle. Spukrichtung Severinstorburg ist ein Cocktail-​Stand, der mit lauter Latin-​Musik anlockt. Weiß nicht warum, ich mag das.
Dann drängelt man sich durch die Menschenmassen, die man sonst nie in der Südstadt sieht… vorbei an Ständen, die man bei jedem Flohmarkt oder Weihnachtsmarkt, wo Neuware zugelassen wird, schon sieben Millionen Mal gesehen hat. Schlechte Uhren, noch schlechtere Taschen, diese zahnziehenden Kräuterbonbons, fehlt nur noch der Staubsaugervertreter.
Am Ende kommt man bei der Showbühne an. Und davor tummeln sich an Bierständen und auf Bierbänken weitere Menschenmassen. Und wenn man jut drauf ist, freut man sich auch über sympathische Alleinunterhalter und prima Cover-​Bands. Und wenn nicht, geht man besser weiter oder nach Hause. Ist ein wenig wie Karneval, nur ohne Pappnase und ein wenig wetterwärmer.
Trotzdem: Für die Bühnengeschichte gibt es bei mir vier Sterne. Für die Stände: zwei. Für die gastronomischen Angebote: mmh, sagen, wir drei.
Und trotzdem zum Zweiten: Trotz einigem könnte-​man-​auch-​besser-​machen-​Eindrücken, find ich es toll, dass es die Veranstaltung gibt.

Dies soll also der längste Tisch in Köln an diesem Wochenende sein. Na ja, die längste Bar triffts vielleicht eher. Aber da die Kölsch-​Gläser sehr klein sind kommt der Reichtum an Bierwagen und Ständen doch recht gelegen. Glücklicherweise wird hier dem trinkbaren Reissdorf gefrönt und nur ein einziger Dom-​Kölsch-​Stand hat sich hierher verlaufen, der aber wohl eher von ungebildeten Touristen ;-) frequentiert wurde.
Die Futterstände bieten die übliche Jahrmarktauswahl vom Flammkuchen bis zum Steakbrötchen und den himmelweit zu erriechenden Langos, besondere Überraschungen sollten also nicht erwartet werden. Nach dem 5. Kölsch sind kulinarische Höhepunkte ohnehin nicht mehr von Interesse. Ein ansässiger Fleischer lud ein zum traditionellen Hämchenessen (Eisbein), welches wohl vornehmlich von unserer Vorkriegsgeneration sehr umfassend genutzt worden ist. Mir reichte es schon, überhaupt zu entschlüsseln was ein Hämchen ist (ja ja, bin kein Rheinländer und das ist auch gut so). Ach, wo wir gerade beim Thema sind das Ihr fast sklavisch die Berliner in Massenhaltung aufbewahrt und für gerade mal 50 Cent das Stück verkauft nehme ich Euch echt übel. Sind wir Euch denn wirklich so wenig wert???
Zurück zum Thema: Die KVB hat dieses Event wohl recht umfangreich unterstützt. Wer will es verdenken, da ja gerade hier Häuser eingestürzt bzw. in Mitleidenschaft gezogen worden sind durch den aktuell stattfindenden U-​Bahn-​Bau in diesem Viertel. So waren diese auch mit Personal und Informationsständen hier, um über die Baumassnahmen zu informieren und den immer noch anhaltenden Frust des ein oder anderen Anwohners abzubauen. Ich würde mir wünschen, die BVG würde ähnlich aktiv Schadensbegrenzung betreiben, aber da warte ich wohl bis ich grau bin.
Zwei Bühnen heizten den Anwesenden so gut es ging ein und das gute Wetter tat sein übriges. Das Fest war zwar nichts herausragendes, aber eine gute Möglichkeit sich diesen mir bislang unerschlossenen Stadtteil von Köln näherzubringen.

Dä längste Desch vun Kölle! Die Severinsstrasse wird komplett gesperrt und alles mit Getränke-​, Essens– und Rummelbuden zugestellt. Es gibt alles von Knobbi-​Brot über Asia-​Pfanne bis zu Souvlaki. Überraschenderweise gibt es hauptsächlich: Kölsch! Aber es findet sich auch immer ein Cocktailstand und auch ein kleines Weinzelt.
Highlights des Strassenfestes sind sicherlich die 3 Bühnen auf denen diverse Unterhaltungskünstler Ihr «Können» demonstrieren. Meine Highlights in diesem Jahr: der kölsche Elvis und Samstag Nachmittag ein recht skuriller kölscher Country-​Sänger, der flieg junger Adler sang und dabei von einem Renten-​Tanzpaar begleitet wurde! Kult!
Man kann sich also herrlich von einem Ende der Strasse bis zum anderen essen und trinken und zurück und auf dem Weg jede Menge skurille und lustige und liebenswerte Orginale bestaunen!
Herrlich! Hingehen!