Die alte Kapelle in Wiedenest, früher an dieser Stelle im Dörspetal auf Grund einer Verfügung Karls des Großen(785 n. Chr.) errichtet, wonach christliche Kirchen an alten heidnischen Kultplätzen gebaut werden sollten, ist um 1100 mit einen stattlichen Wehrturm überbaut worden. Vermutlich war die heilige Quelle nahe der Kirche, deren Wasserstrom in all den Jahrhunderten nicht versiegte und durch deren Wasser viele wunderbare Curen sollen geschehen sein, dieser alte Kultplatz, denn Quellen galten unseren keltischen Vorfahren als heiliger Ort, an dem die Seelen zurück in unsere Welt finden. Der romanische, sehr trutzige Turm wurde irgendwann einmal als Kircheneingang umgebaut. Früher hatte er außen keine Türen, sondern besaß von innen eine schmale, steile Treppe, so wie dies in mittelalterlichen Burgen noch zu sehen ist. Genau so eine«Wehrtreppe» ist im Wiedenester Turm gut versteckt. Man kann sie nur erspähen, wenn der Organist die neue, moderne Treppe benutzt, denn dieser Aufgang führt an einem niedrigen Gitter vorbei. Hinter diesem Gitter führt die alte Feldsteintreppe steil nach unten, ins Nirwana, ins Nichts. Der Grund ist die Heizungsanlage, die ihren eigenen Raum im alten Zugangsbereich zu dieser Treppe gefunden hat. So bleibt genug Freiraum für Fantasie und Vorstellungskraft, um sich auszumalen, wer wohl in unbeobachteter, mitternächtlicher Stunde diese alte Treppe hinaufschwebt. Noch eine interessante bauliche Anmerkung soll nicht fehlen: der Kirchturm dieser Kreuzkirche(Reliquie soll ein Splitter des Kreuzes Jesu sein) ist eigentlich viel zu hoch für eine so kleine romanisch– gedrungene Kirche. Die alten Baumeister haben diese Unproportionalität aber klug dadurch ausgeglichen, dass sie ein Querschiff von ebensolcher Übergröße vor den Chorraum plaziert haben. So sieht alles irgendwie gelungen aus, wenn es auch einen Hauch von Wunderlichkeit nicht verleugnen kann.